Wirtschaft
und Arbeitsplätze
|
Das
Argument der Befürworter: „Die Bundesfernstraße
schafft und sichert Arbeitsplätze. Ohne Anschluss an das
überregionale Straßennetz gehen in Wittgenstein die
Lichter aus und es blutet aus!“ (Zitate aus der
Kreistagssitzung Siegen-Wittgenstein)
|
Leider
werden die Behauptungen auch durch ständiges Wiederholen
nicht richtig!
Richtig
ist: Der bis heute behauptete Zusammenhang zwischen
Verkehrsinfrastrukturinvestitionen und regionaler
Wirtschaftsentwicklung hält der empirischen Überprüfung
nicht Stand! Es kann kein signifikanter Zusammenhang zwischen
Wirtschafts- bzw. Beschäftigungswachstum festgestellt
werden! Aber der Reihe nach:
|
Beobachtungen:
|
Arbeitslosenquote:
|
Die
Arbeitslosigkeit in Wittgenstein ist seit Jahren 2-3% unter
Bundesdurchschnitt. Städte mit nahezu idealer
Verkehrsanbindung (Hafen, Flugplatz, Autobahnkreuzen) – als
Beispiel Duisburg oder Dortmund – haben glatt die doppelte
Arbeitslosenquote. Oder regional betrachtet: Siegen hat seit
40-Jahren mit Autobahnanschluss ständig eine höhere
Arbeitslosigkeit als Berleburg oder Erndtebrück
|
Einkommen:
 Klare
Sichtweisen erforderlich!
Bildquelle:
aboutpixel.de
|
Das
Einkommen der Bevölkerung steht in keinem Zusammenhang mit
der Autobahnnähe: Städte und Gemeinden wie
Hilchenbach, Erndtebrück, Bad Laasphe sind „reicher“
(Primäreinkommen pro Einwohner 22000- 25000 Euro) als
autobahnnahe wie Siegen, Wenden, Burbach mit 18000- 21000 Euro.
Die autobahnnahe Ruhrgebietsschiene kommt bei den Einkommen
noch schlechter weg. Allerdings gibt’s auch reiche Gemeinden
u. Städte in Autobahnnähe: Freudenberg, Wilnsdorf und
Neunkirchen!
|
Frachtkosten:
|
Ein
Blick ins Supermarktregal zeigt, dass es völlig belanglos
ist (Frachtkosten), ob der Joghurt aus dem Allgäu oder aus
den Münsterland, das Bier aus München oder Krombach,
die Butter aus Irland oder Deutschland kommt.
|
Umzüge
statt Zuzüge:
|
Statt
Zuzüge von Unternehmen dominieren Umzüge. In den
neueren Industriegebieten an der Autobahn A45 haben sich in der
Regel Firmen aus der Region angesiedelt. Gerade Mittelstand und
Handwerk sind ganz offensichtlich stark mit der Region
verbunden und heißen auch nicht Nokia.
|
Diese
Beobachtungen sollten zu mindestens die Verantwortlichen
nachdenklich stimmen. Stimmt die Formel Autobahn =
Arbeitsplätze nicht? Und kann man dies beweisen? Man kann!
|
Placebo-Effekt:
 Hier
fließt dieWirtschaftskraft hinein-nicht im Bild:
GEGENFAHRBAHN mpo07
|
Mittlerweile
geht Wissenschaft und Forschung hinsichtlich wirtschaftlicher
und regionaler Effekte beim Fernstraßenbau mit der
Politik hart ins Gericht: Dr. Matthias Gather, Professor für
Verkehrspolitik und Raumplanung: „ In den alten Bundesländern
herrscht unter den Raumplanern schon seit Jahren Einigkeit,
dass weitere Autobahnen nichts mehr bringen“ und gelegentlich
drängt sich der Eindruck auf, dass der Autobahnbau
vorgeschoben wird, „ weil sich die Politik keinen anderen Rat
weiß, um wirtschaftliche Probleme in den Regionen zu
lösen “ Daraus könne ein gefährlicher
Placebo-Effekt erwachsen: „ Irgendwann ist die Autobahn
fertig, aber die meisten Strukturprobleme hat man bis dahin
liegen lassen. Dann fährt der Aufschwung vorbei. Nur
schneller“.
|
Fakten:
|
Die
Studie „über die regionalen Effekte der
Fernstraßeninfrastruktur auf die wirtschaftliche
Entwicklung“ in Thüringen, Sachsen, alte Bundesrepublik,
Italien und in der Schweiz (Prof. Dr. Gather, Matthias 2003)
kommt zu nachfolgenden Ergebnissen (hier am Beispiel der A72) :
|
Entfernung
Bundesautobahn / Beschäftigunng (Landkreise/kreisfreie
Städte)
|

|
Entfernung
Bundesautobahn / gewerbliche Investitionen
|

|
Entfernung
Bundesautobahn / Belegung Gewerbeflächen
|

|
Der
Aufschwung braucht Autobahnen - dieser These folgen Politik und
öffentliche Meinung so getreulich wie kaum einem anderen
Leitsatz. Die Bilanz der obigen Studie indes fällt karg
aus: Mal konnte "ein signifikanter Zusammenhang"
zwischen Straßenbau und Wirtschafts-entwicklung "nicht
festgestellt" werden, mal lieferten die erzielten
Resultate "keine statistische Unterstützung". Es
ist im Ergebnis allerdings kein spezielles Ost- oder
Westphänomen, sondern durchaus in grundsätzlichen
Aussagen auf die gesamte Republik übertragbar. Jede Region
hat sicherlich eigene Strukturen und Besonderheiten, so dass
eine regionenbezogene 1:1 Übertragung keine
wissenschaftlich fundierte Argumentation darstellen würde.
Der Grundtenor aber wird sowohl aus unseren Beobachtungen wie
auch aus den Studien deutlich: Die Erwartung mit Autobahnbau
Wirtschaftswachstum im Kreis und besonders in Wittgenstein zu
generieren, beruht eindeutig auf dem Prinzip „Hoffnung“.
|
Nachdenken!
|
Standortwahl
von Betrieben:
 Wirtschaftswunderzeiten!
mpo07
|
Standortentscheidungen
der Betriebe sind vielschichtig: Kundennähe, Ausbildung,
Facharbeiterschaft, Grundstückpreise, Kommunalabgaben,
Löhne usw. sowie die sogenannten weichen Standortvorteile
(Kultur, Image, Landschaft...). Die verkehrliche Anbindung, so
sie denn keine absolute Katastrophe ist, spielt eher eine
untergeordnete Rolle (Frachtkosten). Allerdings gibt es nach
einem Bau einer Fernstraße Umstrukturierungen in den
betroffenen Regionen. Fünf bis zehn Prozent der Betriebe
werden ein attraktives Industriegebiet nahe der Autobahn als
neuen Standort wählen; oft, weil der alte Standort zu eng
und auf Dauer keine Entwicklungsmöglichkeiten bietet.
Diese Umzüge der Betriebe aus der Region in die Region
lösen aber allein keinen Netto-Überschuss an
Investitionen aus. Aber hier gibt es Gewinner und Verlierer. Da
die Gewerbesteuer eine wichtige Einnahme der Kommunen ist, ist
das Wehklagen groß, wenn ein Betrieb in die
Nachbarkommune abwandert. Dieser innerregionale
Verteilungsprozess induziert aber keine zusätzlichen
Beschäftigungsseffekte für die Gesamtregion. Nicht
immer ist der unmittelbare Autobahnstandort die erste Wahl:
Telekom und Siegener Zeitung zogen z.B. nach Netphen. Insofern
sind die Aussagen der Gather Studie keine wirkliche
Überraschung. Echte Neuansiedlungen bleiben Ausnahmen.
|
Kaufkraft:
|
Durch
Studien (bereits in den 80er Jahren) ist hinlänglich
bekannt, dass die Kaufkraft bei guter Verkehrsanbindung an die
jeweilig größeren Zentren verloren geht –
Verlierer ist der Einzelhandel in Wittgenstein! Vereinfacht,
beispielhaft beschrieben: Kreuztaler fahren seit der HTS
Anbindung für größere Einkaufe vermehrt nach
Siegen, die Siegener aber nicht im gleichen Maß nach
Kreuztal.
|
Tourismus:
|
Für
den Tourismus (ein Wirtschaftszweig mit Zuwachsraten) zerstört
diese Straße allerdings die Grundlage, denn diese
vernichtet genau das, was die Erholungssuchenden finden wollen.
Eine bessere Erreichbarkeit wird oftmals durch Durchfahreffekte
und Minderung des Attraktivitätsniveau in Trassennähe
zum Nullsummenspiel.
|
„Alles
Quatsch“ werden Sie als Reaktion auf unsere Argumente hören.
Prognosestudien gehen regelmäßig beim Fernstraßenbau
von bis zu 10% Steigerungen bei Umsatz, Investitionen,
Beschäftigung aus. Ob diese Prognosen eine fachliche
Unterabteilung der Weissagung darstellt, mag jeder selbst
beurteilen. Für die eigene Beurteilung taugen unserer
Meinung nach nur vorher/nachher oder vergleichende Studien
abgeschlossener Projekte.
Wünsche
sind keine Argumente!
|